Finja und Marius, die beiden Inklusionskinder meiner Klasse, arbeiten in ihren speziellen Arbeitsheften, die themenmäßig dem Lernstoff der anderen Kinder angeglichen sind. Ein selbstständiges Lernen ist also im kleinen Maße möglich. Die vier wöchentlichen Förderstunden helfen dabei, unsere Klasse zwar differenziert, nach außen betrachtet aber auch nicht gegensätzlich, zu unterrichten. Die Unterschiede sind auf den ersten Blick nicht sichtbar, da das Inklusionsmaterial des Mathematiklehrwerkes „Flex und Flo“ optisch konform ist mit dem der Hefte der anderen Schülerinnen und Schüler.
Das Gerüst wackelt
Der Lockdown im März bringt das Gerüst zum Wackeln. Mein erster Gedanke: Wie sollen Finja und Marius ihre Aufgaben bewältigen, ohne die tägliche Unterstützung durch die Klassenkameraden oder uns Lehrer? Schnell wird aber deutlich, dass es eine Chance ist, gerade für die inklusiv beschulten Kinder. Jedes Kind bekommt einen eigenen Wochenplan. Die Mehrarbeit für uns Lehrer ist die Chance für die Kinder.
Einer für alle, alle für einen
So ganz passt die Phrase aus dem Roman „Die drei Musketiere“ nicht, aber in den Tagen des Lockdowns und auch den anschließenden Wochen der Klassenteilung fallen Finja und Marius nicht durch gesonderte Förderstunden oder Extraaufgaben auf, sondern sind deutlicher im System integriert als zuvor. Meine Klasse muss aufgrund ihrer Größe in drei kleinere Gruppen eingeteilt werden. Da ich im Unterricht nach Möglichkeit immer differenziere, stellt sich jetzt für mich auch nicht die Frage, es nicht zu tun. Ich erstelle drei unterschiedliche Wochenpläne, die sich im Schwierigkeitsgrad unterscheiden. Finja und Marius bekommen ähnliche Aufgaben wie ein weiteres Drittel der Klasse, Aufgaben mit geringen Anforderungen. Die Gruppen wechseln im Dreitagerhythmus. Finja und Marius kommen also jeden dritten Tag in die Schule, gemeinsam mit Kindern, die zwar keinen Inklusionsstatus haben, aber ähnlich angepasste Aufgabenstellungen erhalten. Schnell wird deutlich, dass die beiden Kinder eine sehr viel größere Peergroup haben als nur sich selbst im Zweierteam. Durch die kleine Gruppengröße mit Zuhilfenahme der Elternarbeit können Finja und Marius sehr viel intensiver gefördert werden als zuvor. An den Schultagen zwischen der Präsenz im Unterricht werden Finja und Marius zu Hause von ihren Eltern begleitet. Beide haben das große Glück, dass jeweils die Mutter die Zeit hat, sich um die Lernzeit zu kümmern. Über digitale Medien sind wir in Kontakt und so kann ich den Lernzuwachs auch außerhalb der Schule betrachten oder Hilfestellungen geben, wenn es Probleme gibt.
Fazit
Die Zeit des Lockdowns mit Schulschließungen oder auch halben Lockdowns mit Schulöffnungen und Maskentragen mögen für viele Kinder und Lehrerkräfte sehr schwierig sein, aber für meine inklusiv beschulten Kinder sind sie die Chance auf kleinere Lerngruppen und größere tatsächliche Lernzeit.