Wie oft habe ich schon von Eltern den Ausspruch „da würde ich gern mal Mäuschen spielen“ gehört. Und in der Tat, der Wunsch ist gut nachzuvollziehen. Uns Lehrern geht es ja nicht anders. War es im Referendariat noch wöchentliche Praxis, den Unterricht von Mitreferendaren und Lehrern zu beobachten oder selbst als „Gastgeber“ zu fungieren, so steht man nach abgelegten Prüfungen allein im Klassenzimmer. Ich muss zugeben, ich vermisse den Blick in fremde Klassenzimmer, die Hospitation bei Kollegen, die Möglichkeit, sich Tricks und Kniffe abzuschauen oder Ideen und Anregungen zu sammeln.
Leider gibt es nach dem Referendariat viel zu wenige Gelegenheiten dazu. Aus den verschiedensten Gründen.
Gründe gegen Hospitationen
Einige Kollegen haben wahrscheinlich schlichtweg Angst kritisiert zu werden und vermeiden deswegen Gäste in ihrem Klassenzimmer. Einige wollen sich vielleicht nicht in die Karten sehen lassen. Für mich sind das Gründe, die ich am wenigsten nachvollziehen kann. Keiner meiner Gäste im Unterricht hat Perfektion erwartet, vielmehr waren wir stets am Austausch interessiert. Die Hospitationsstunden im Referendariat waren auch ehrlich die Stunden, in denen wir am meisten lernen konnten – egal ob als „Gast“ oder als „Gastgeber“.
Ein weiterer Grund, Hospitationsbesuche zu scheuen ist sicherlich der zeitliche Mehraufwand. Schließlich ist es (immer noch) so, dass diese Stunden von der Freizeit abgehen. Es wäre in der Tat wünschenswert, würden solche Stunden auf das Unterrichtskonto angerechnet. Das ist jedoch ein anderes Thema.
Vorteile von Hospitationen
Die vielen Vorteile, die kollegiale Hospitation mit sich bringt, überwiegen jedoch eindeutig und so sind diese Stunden die zusätzliche eingebrachte Zeit auf jeden Fall Wert.
Vor allem, wenn man sich Zeit nimmt, und das Gesehene bespricht, können diese Stunden ganz neue Blickwinkel aufzeigen. Beobachter können sich Ideen und Anregungen holen, für die Organisation, den Unterrichtsablauf oder einzelne Fächer.
Noch hilfreicher ist die kollegiale Hospitation aber für die „Besuchten“. Nach dem Referendariat fehlte mir oft die direkte Rückmeldung von Kollegen. Ein „die Idee war super“, „das hast du gut umgesetzt“, aber auch ein „das hätte ich anders gemacht“ oder ein „du solltest noch auf dies oder jenes achten“. Schließlich ist konstruktive Kritik ein guter Weg, an sich zu arbeiten und den eigenen Unterricht zu verbessern. Klar, das Verhalten der Schüler und ihre Teilnahme und Aufmerksamkeit geben oft direkte Rückmeldung, aber eine kritische Stimme, die denselben Blickwinkel, die Schülerperspektive einnimmt, kann sehr hilfreich sein.
Natürlich kann die kollegiale Hospitation auch bei Problemen gezielt eingesetzt werden. Eine junge Kollegin, die als Fachlehrerin in meiner Klasse eingesetzt war, hatte immer wieder Probleme mit dem Verhalten zweier Schüler. Sie hatte schon alles Mögliche versucht und wusste nicht mehr weiter. Ich bot ihr an, mich in ihren Unterricht zu setzen und speziell auf die beiden Schüler zu achten. Ja, es hat etwas gedauert, aber durch genaues Beobachten ihres Verhaltens und das der Schüler fanden wir eine gute Lösung und sie kommt nun besser mit den beiden zurecht.
Wichtig ist bei jeder Hospitation, egal aus welchem Anlass sie stattfindet, dass man sich hinterher untereinander austauscht. Nur so kann auch ein Lernen stattfinden.
Hospitation organisieren
Nun habt ihr schon einiges über die vielen Vorteile der kollegialen Hospitation gehört. Aber wie setzt man das Vorhaben um? Zunächst einmal das Gute: So lange es keine festen Regeln gibt und die Hospitation nicht vorgeschrieben und somit freiwillig ist, seid ihr auch frei in der Umsetzung. Jetzt das Schlechte: Wie schon erwähnt, werden die Stunden (wahrscheinlich) von eurer Freizeit abgehen.
Gerade wenn man Vollzeit arbeitet und somit fast die ganze Zeit im Klassenzimmer steht, ist es schwer, freie Zeit zu finden. Normalerweise versuche ich, Hospitationsstunden in die Lücken meines Stundenplans zu legen, was aber nicht immer möglich ist. Dann empfiehlt sich ein Gespräch mit der Rektorin oder dem Rektor. Vielleicht könnt ihr gemeinsam einen Hospitations- und Vertretungsplan erarbeiten, so dass sich genügend Möglichkeiten finden, Stunden zu tauschen und sich gegenseitig im Unterricht zu besuchen.
Wie schon erwähnt, besuche ich meine Kollegen meistens, wenn ich Lücken im Stundenplan habe. Anfangs habe ich oft gefragt, ob ich mir ein bestimmtes Fach einmal ansehen darf. Das ist oft ein guter Einstieg und kann das Eis brechen. Zum Holen von Anregungen ist das auch ausreichend. Mittlerweile läuft das an meiner Schule nun schon so, dass wir uns gegenseitig einladen, wenn wir besondere Stunden geplant haben. Da heißt es dann „Hey, ich hab ne Versuchsreihe zum Auge ausgearbeitet, hast du Lust dir das anzuschauen? Willst du das vielleicht auch verwenden?“. Das sind dann meist sehr entspannte Hospitationsstunden.
Lehrreicher sind allerdings die Stunden, bei denen wir vorher ein Ziel festlegen, z. B. dass der Hospitierende darauf achten soll, wie man auf Unterrichtsstörungen reagiert. Oder wie man bestimmte Methoden umsetzt. Oder ob man speziellen fachlichen Anforderungen entspricht. Oder ob die Kommunikation mit der Klasse stimmt. Oder ob man Möglichkeiten übersieht, die Kinder besser ansprechen zu können. Oder, oder, oder … Dann legen wir vorher bestimmte Kriterien fest und besprechen diese dann hinterher. Ganz ungezwungen und ohne den erhobenen Zeigefinger. Aber immer mit hilfreichen Ideen und neuen Blickwinkeln. Vier Augen sehen eben doch mehr als zwei.
Also, auf geht’s. Ladet doch auch mal eure Kollegen ein – und berichtet dann bitte davon.