Neulich in einer vierten Klasse: „Frau Z., ich habe voll die gute Idee“, meldet sich ein Schüler ganz aufgeregt. „Jeder Mensch findet es ja gut, wenn jemand etwas Nettes zu ihm sagt. Wir könnten einfach ein paar Komplimente sammeln und wenn man sich mal nicht gut fühlt, kann man sich zur Aufmunterung eines davon nehmen.“ Genialer Vorschlag!
Das Wir-Gefühl stärken und als Klasse zusammenwachsen
In meinem letzten Beitrag habe ich bereits davon berichtet, dass im Moment die Stärkung des Wir-Gefühls einen hohen Stellenwert in meinem Unterricht hat. Nach der langen Phase des Distanz- und Wechselunterrichts müssen die Kinder als Gemeinschaft erst einmal wieder zusammenwachsen. Viele Schüler haben ihre Klassenkameraden monatelang nur in Videokonferenzen gesehen und hatten auch privat kaum Kontakte zu anderen Kindern. Das macht sich nun auch im sozialen Miteinander in der Klasse bemerkbar. Doch auch in „normalen Schuljahren“ baue ich immer wieder kleine Einheiten zur Förderung des Sozialverhaltens ein. Manchmal aus konkretem Anlass, z.B. weil gehäuft Pausenstreitigkeiten auftreten, aber oft auch „einfach so“, weil es den Kindern und der Klassengemeinschaft gut tut.
Komplimente machen – wie geht das?
Von der Idee, „Komplimente to go“ zu sammeln, waren die Viertklässler gleich hellauf begeistert. Doch recht schnell haben sie festgestellt, dass es gar nicht so einfach ist, jemanden ein Kompliment zu machen. Deshalb haben wir zu Beginn der Sequenz über folgende Frage nachgedacht: „Hat mir heute schon jemand etwas Nettes gesagt?“ Dazu fielen den Kindern auf Anhieb einige Dinge ein.
Anschließend haben wir die Perspektive gewechselt: „Wer hat heute selbst schon einem Mitschüler ein Kompliment gemacht?“ Im folgenden Unterrichtsgespräch kam die Klasse zu zwei wichtigen Ergebnissen: Erstens sagen wir uns viel häufiger Dinge, die uns stören, als jemanden zu loben (und das wollen wir ändern!). Und die zweite Erkenntnis war, dass wir vor allem unseren Freunden etwas Wertschätzendes sagen. Deshalb war der nächste Schritt, ein Kompliment für ein zufällig gelostes Kind aufzuschreiben. Das fiel einigen Schülern schon deutlich schwerer. Es half, dass sie selbst entscheiden konnten, ob sie mit ihrem Namen unterschreiben oder die Nachricht anonym weitergeben wollten.
Zuletzt haben wir die Idee umgesetzt und eine „Komplimente-to-go-Kiste“ erstellt, die jetzt im Klassenzimmer der Viertklässler steht. Als ich neulich einen Blick reingeworfen habe, war über die Hälfte der Zettel schon weg! Das Resultat unserer kleinen Sequenz zu den Komplimenten hat mich gleich doppelt gefreut: Zum einen nehmen Kinder die Aktion sehr gut an und tun aktiv etwas für ein gutes Miteinander. Doch das Schönste daran ist: Die Idee dazu kam von den Schülern selbst.