Neulich habe ich von der Identifikationsfigur im Kunstunterricht, „Herr Leopold“, berichtet. In meiner Klasse gibt es außerdem noch „Gustav“, der uns als Klassenmaskottchen seit dem ersten Schultag begleitet.
„Hoş geldiniz“ - Wir sind die Giraffenklasse
Gerade für die frisch gebackenen Schulkinder sind Klassenmaskottchen wichtige Helfer, die die Kinder bei ihrer Schulsozialisation unterstützen können und die von Anfang an ein Gemeinschaftsgefühl in der Klasse schaffen.
So erkennen die Schüler:innen der „Giraffenklasse“ schon von Weitem ihr Klassenzimmer, weil Gustav in Großformat an unserer Tür hängt. Dort begrüßt er die Kinder in ihrer Muttersprache. Das heißt, ich durchforste zu Schuljahresbeginn die Schülerakten, um herauszufinden, welche Sprache die Schüler:innen in ihren Familien sprechen
.
Häufig sind auch die Eltern am ersten Schultag begeistert, wenn sie „ihre“ Sprache im Klassenzimmer entdecken. Mit einer kleinen Geste kann so für einen offenen und respektvollen Umgang mit sprachlicher Vielfalt sensibilisiert werden. Und ganz nebenbei profitiere auch ich von dem interkulturellen Lernen und freue mich, inzwischen in den unterschiedlichsten Sprachen grüßen zu können.
Wie für die Kinder ist für „Gustav“ der Schulbeginn, aber auch später der Schulalltag oft eine sehr aufregende, manchmal auch anstrengende Zeit. Das flüstert er des Öfteren der Lehrerin ins Ohr oder schreibt es der Klasse auch mal in einem Brief. „Gustav“ bietet den Kindern somit einen Gesprächsanlass, um ihre Ängste und Sorgen loszuwerden. Die Giraffe mag es ebenso, im Klassenzimmer herumzulaufen und Schüler:innen zu loben, die z.B. besonders leise ihre Materialien wegpacken. Dabei regt er die Klasse auch dazu an, über gemeinsame Regeln zu reflektieren.
Recht schnell wird „Gustav“ so zum heimlichen Liebling der Klasse, dem die Schüler:innen gerne helfen. Denn „Gustav“ ist manchmal etwas schwer
von Begriff und versteht die Unterrichtsinhalte nicht auf Anhieb. Sofort schießen dann viele Hände von Kindern nach oben, die es der Giraffe noch einmal erklären wollen. Dabei wiederholen sie den Stoff in ihren eigenen Worten und erfahren ganz nebenbei auch, dass Fehler zum Lernen dazu gehören.
Herr Leopold und Gustav – zwei Identifikationsfiguren mit unterschiedlichen Funktionen
Auch wenn die Kinder in diesem Alter genau wissen, dass eine Handpuppe nicht wirklich lebt, lassen sich gerade jüngere Schüler:innen trotzdem gerne darauf ein, „Gustav“ als vollwertiges Klassenmitglied anzusehen. Und hier zeigt sich schon ein deutlicher Unterschied zu der Identifikationsfigur „Herr Leopold“. Dieser ist ein Erwachsener, der eher die Rolle eines zweiten Lehrers in der Klasse übernimmt. „Herr Leopold“ begleitet die Kinder zwar auch im Unterricht, aber er vermittelt ihnen dabei vor allem Wissen und regt sie an, Neues zu Lernen.
„Gustav“ hingegen steht mehr auf der Ebene der Kinder. Die Schüler:innen lernen weniger von ihm, sondern mit ihm gemeinsam. Er ist ein Plüschtier, das anders als die Bildkarte von „Herrn Leopold“, auch in die Hand genommen werden kann, mit dem man kuscheln kann und das Trost spendet, wenn man traurig ist.
So erfüllt das Klassenmaskottchen insgesamt noch viel mehr als meine Identifikationsfigur „Herr Leopold“ die Funktion, die sozial-emotionalen Fähigkeiten der Kinder zu fördern und sie in ihrer Empathiefähigkeit zu stärken. Gustav regt die Kinder außerdem dazu an, aktiv etwas für die Gemeinschaft zu tun – und wird so zu einem unverzichtbaren Mitglied in unserer Klasse.
Weitere Ideen für den Einsatz eines Klassenmaskottchens im Unterricht hat meine Kollegin Nova gesammelt. Schaut doch mal rein!