Für mich stellt es immer wieder eine große Herausforderung dar, auftretende Konflikte im Schulalltag „zwischen Tür und Angel“ klären zu müssen. Hierbei ist es nur selten machbar, für alle Beteiligten zu einem zufriedenstellenden Ergebnis zu kommen. Auf der Suche nach einem „Fahrplan“ zur Konfliktklärung entschloss ich mich somit vor sechs Jahren, eine Fortbildungsreihe zur Ausbildung als Schulmediatorin zu beginnen.
Seit vier Jahren führe ich nun in der Schule wöchentlich zwei Mediationsstunden durch, welche fest im Stundenplan verankert sind. Die folgenden Ideen und Vorgehensweisen haben sich durch die Erprobung an einer Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen nach und nach herauskristallisiert.
Jeweils zu Schuljahresbeginn besuche ich alle Klassen und informiere über das freiwillige (!) Angebot, den Ablauf und die Zeiten der Mediation. Im „Gepäck“ habe ich ein Plakat zum Aufhängen in der Klasse sowie Flyer für die Kinder, damit sie sich den Termin besser merken können.
„Anmeldung“ zur Mediation
Durch meine Besuche in den Klassen wissen die Kinder, dass sie die Mediationsstunden jederzeit freiwillig nutzen können. Meist kommen sie dann auf dem Pausenhof auf mich zu und melden sich zur nächsten Mediationsstunde an. Manchmal sind es auch die Lehrer, welche streitenden Schülerinnen und Schülern eine Mediation vorschlagen, insbesondere wenn im Alltagsgeschäft die Zeit für eine Klärung nicht ausreicht. Nachdem mir bekannt ist, wie viele Schüler teilnehmen möchten, koordiniere ich die genauen Zeiten mit den Klassenlehrern, damit diese sich auch bezüglich des Unterrichts darauf einstellen können, welches Kind wann fehlt.
Ablauf der Gespräche
Einleitung
Zur Einleitung des Gespräches kläre ich die Kinder über die Rahmenbedingungen auf:
- Ich möchte ihnen helfen, ihren Streit zu klären bzw. mit ihnen gemeinsam überlegen, was passieren muss, damit sich niemand mehr ärgern muss
- Ich bin unparteiisch und erzähle nichts von dem weiter, was besprochen wird
- Bestimmte Regeln müssen eingehalten werden (sich ausreden lassen, freundlich sein)
Klärung der Geschehnisse
Nun erzählen die Kinder, was passiert ist. Dabei sollte jedes so viel Zeit zum Erzählen bekommen, wie es braucht bzw. einfordert. Meine Rolle in dieser Phase ist, aktiv zuzuhören, d.h. das Erzählte noch einmal zusammenzufassen und zu spiegeln, was ich verstanden habe. Gegebenenfalls kann ich Rückfragen stellen und an die Einhaltung der Regeln erinnern.
Eingehen auf die Gefühlsebene
Nachdem alles erzählt ist, versuche ich die Schülerinnen und Schüler zu unterstützen, ihre Gefühle zu schildern. Folgende Fragen helfen dabei:
- Was hat dich besonders geärgert?
- Wie geht es dir damit?
- Bist du noch sauer? Warum?
Erfahrungsgemäß ist es für die Klärung besonders hilfreich, wenn die Kinder schnell untereinander (und nicht nur über mich) ins Gespräch kommen und sich direkt sagen, was sie beschäftigt.
Blick in die Zukunft
Das Ziel dieser Phase ist, dass die Kinder formulieren, wie sie sich ab sofort (dem anderen gegenüber) verhalten wollen.
Folgende Fragen halte ich für hilfreich:
- Was soll passieren, damit es dir besser geht/du nicht mehr wütend bist?
- Was wünschst du dir von XY?
- Was kannst du tun, damit es keinen Streit mehr gibt?
- Wer kann dich unterstützen?
Vereinbarungen
Das Besprochene wird nun auf dem dafür vorgesehenen Bogen (Mediationsvereinbarung)notiert. Dies kann durch mich oder auch durch die Schüler selbst erfolgen und wird durch Unterschrift aller Beteiligten bestätigt. Damit sich alle an die Vereinbarungen erinnern können, mache ich für jeden eine Kopie.
Tipps bei auftretenden Problemen
Problem | Mögliche Lösungen/Tipps |
Konflikt, der schon lange schwelt und immer wieder auftritt | Folgetermine vereinbaren. Diese schaffen für die Schüler eine Verbindlichkeit, sich an die Vereinbarungen zu halten. |
Mangelnde Sprachfähigkeiten (zum Beispiel bei Migrationshintergrund, sehr jungen Schülern oder Schülern mit sprachlichen Einschränkungen) | Schüler den Konflikt durch eine Zeichnung darstellen lassen.
Kernaussagen auf Kärtchen notieren und an einer Flipchart festhalten. Konflikt mit Material (z.B. Playmobil) nachstellen lassen. |
Schüler können sich nicht einigen, wer anfängt zu berichten | Münze oder anderes Material zum Losen bereithalten. |
Kinder sind sehr emotional, schaffen es nicht, sich an die Regeln zu halten | Schüler erzählen zunächst alleine, der andere wartet so lange draußen. Gegebenenfalls mehrmals zwischen den Schülern hin- und herwechseln.
Die Erfahrung zeigt, dass die Mediation am ehesten zielführend verläuft, wenn sich die Schüler schon etwas beruhigt haben und der Streit nicht mehr ganz „frisch“ ist. Deshalb ggf. vertagen. |
Streit zwischen drei Kindern/„zwei gegen einen“ | Ungleichgewicht vermeiden! Zwei gesonderte Mediationen führen. |
Fazit
Die Mediation ist mittlerweile im schulischen Konzept zur Gewaltprävention verankert und wird rege genutzt. Die Schülerinnen und Schüler wissen, dass es hierfür zwei festgelegte Stunden gibt, in denen sie sich an mich wenden können. Es hat sich herumgesprochen, dass ich ausreichend Zeit habe, den Konflikt mit ihnen gemeinsam zu klären – bis alle Beteiligten zufrieden sind. Allein die Tatsache, dass Kindern signalisiert wird, dass ihr Problem ernst genommen und ausführlich bearbeitet wird, trägt oftmals schon zur Beruhigung bei.
Wichtig ist, dass die Mediation freiwillig bleibt und auch nur dann erfolgreich sein kann. Für Mobbingfälle ist sie nicht geeignet!