Seien wir doch mal ehrlich! Wer von uns kann sich im Studium vorstellen, dass es noch schlimmer kommen könnte? Zwischen Klausuren, Hausarbeiten, Praktika und Nebenjobs, um das Studium zu finanzieren, bleibt oft kaum Zeit, um das Studentenleben zu genießen. Dabei haben wir uns alle darauf gefreut. Wer aber fragte sich dann im Studium nicht manchmal „Wozu das alles? Warum muss ich die wissenschaftliche Säule des Studiums so hochhalten, wenn ich doch Pädagogin werden will? Wo bleibt die Praxis?“
In Gesprächen mit Kommilitoninnen und Kommilitonen habe ich immer wieder herausgehört, dass es Vielen so ging: Das wissenschaftliche Studium hat zwar den Geist beflügelt, sich der Herausforderung zu stellen, akademisch arbeiten zu können. Aber im Hinterkopf blieb die Erkenntnis, als Grund-, Haupt- oder Realschullehrerin nur einen Teil des Wissens weitergeben zu können. Acht Semester Regelstudienzeit waren es noch vor zehn Jahren. Danach folgte dann endlich das, worauf sich alle freuten: Die Arbeit am und mit dem Kind, die Auseinandersetzung mit den Kollegen, endlich all das Wissen anwenden zu können. Natürlich alles pädagogisch fundiert.
Vom Studium ins Referendariat
Die Vorfreude war bei mir groß! Nun war ich keine normale Studentin. Aber was ist schon normal? Meine drei Kinder waren im Kindergarten- und Grundschulalter und es war ein täglicher Spagat zwischen Familie und Schule. Während ich im Studium auch mal eine Vorlesung oder ein Seminar ausfallen lassen konnte, war das in der Schule nicht so leicht möglich.
Hospitationen, Kooperationsstunden, eigenverantwortlicher Unterricht, große und kleine Unterrichtsbesuche bestimmten ab sofort die nächsten 18 Monate. Das erste Mal vor einer Klasse zu stehen, ein Klassenbuch eigenverantwortlich zu führen, Elternbriefe zu schreiben, bei Gesamtkonferenzen stimmberechtigt zu sein und vieles mehr gaben mir das Gefühl, dazuzugehören. Ständig auf dem Präsentierteller zu stehen, nicht nur im Gegenüber von meist 50 Augenpaaren, neugierig oder gelangweilt und an der Front allein zu sein, sprich mit Eltern darüber zu diskutieren, warum der Sohn, die Tochter ein gesundes Frühstück mitbringen oder der Fernsehkonsum eingeschränkt oder das Kind es jetzt wirklich schafft, seinen Schulranzen allein in die Klasse zu tragen, fielen mir nicht auf. Erst jetzt, zehn Jahre später, wird mir bewusst, dass es ein Sprung ins kalte Wasser war.
Die Ausbildung im Seminar
Die Seminare im Studienseminar brachten scheinbar die Entspannung. Ich konnte mich gut mit Kollegen austauschen, war fasziniert von der Ruhe oder Unruhe in anderen Lerngruppen, habe mich in Einigen wiederentdeckt, in Anderen festgestellt, dass es mich hätte schlimmer treffen können. Wenn die Seminare nur dem Austausch gedient hätten, hätte ich mich wirklich darauf gefreut – auf den Wechsel von Schulalltag und der didaktischen und methodischen Aufbereitung desselben.
Nicht wissend, dass die Seminare nicht nur aus Kommunikation bestehen, sondern vordergründig aus der Erarbeitung von Referaten oder der Examensarbeit bestehen, habe ich schnell herausgefunden, dass es mir mehr Freude macht, in der Schule zu sein, als mich im Seminar zu „erholen“. Schule: Wenn sie nur aus Unterrichtsvorbereitung der praktischen Umsetzung bestanden hätte. Aber: Es ging vielfach darum, guten Unterricht zu zeigen und eine gute Note dafür zu bekommen.
Unterricht unter Beobachtung
Zeitweise habe ich das Referendariat als Show empfunden. Durch meine Fächerkombination Musik, Religion und Mathematik konnte ich zwar sehr gut fächerübergreifend arbeiten, aber es ging lange Zeit darum, Unterrichtsbesuche vorzubereiten und eine gute Beurteilung der Seminarleiter zu bekommen.
Was ich damals als große Stresssituation empfunden habe, nämlich das Arbeiten unter Beobachtung, wünsche ich mir heute, zehn Jahre später, manches Mal zurück. Das Referendariat ist die einzige Möglichkeit, Kritik zu bekommen und geben zu können. Nach dem zweiten Staatsexamen sagt niemand mehr, was man besser machen könnte oder was gut war. Man wird zum Einzelkämpfer.
Fazit
Zehn Jahre nach dem zweiten Staatsexamen. Was ist geblieben? Sehr viele Unterrichtsvorbereitungen zweifellos. Nie wieder bereitet man sich so exklusiv vor, bastelt, laminiert, beeindruckt mit Material wie im Referendariat. Geblieben ist aber auch die Erkenntnis, dass es auch im Lehreralltag wichtig ist, sich gegenseitig zu sagen, was gut war oder was verbessert werden könnte.
Aus heutiger Sicht waren das Studium und das Referendariat nötig, um meine Lehrerpersönlichkeit so wachsen zu lassen wie sie ist. Auf dem Präsentierteller unter Beobachtung zu stehen, war gar nicht schlecht. Ich denke manchmal an die Zeit zurück und stelle fest, dass sich mein Unterrichtsstil zwar weiterentwickelt hat, ich aber im Großen und Ganzen meiner Linie treu geblieben bin: die Schülerinnen und Schüler zu selbstständig denkenden Menschen zu erziehen.
Wie betrachtest du deine Ausbildung im Rückblick? Ich bin gespannt auf deine Erfahrungen, die du über das Kommentarfeld absenden kannst.