In der Schule fallen meistens die Kinder auf, die etwas besonders gut können oder die, die Lernschwierigkeiten haben, erwartete Leistungen zu erbringen. Manche Kinder fallen auch aus beiden Gründen auf.
So ging es mir mit Moritz. Der Erstklässler tat sich schwer, Buchstaben zu lernen und in Verbindung mit Wörtern zu setzen. Im Kunstunterricht blühte er dagegen auf. Nicht nur das. Er faltete die schwierigsten Origami und zeigte seine ganze Kreativität. Die Bewunderung der Mitschüler war Moritz schnell sicher und schon bald hatte er seine Stammkundschaft, für die er die unterschiedlichsten Figuren falten sollte. Die Würdigung seiner künstlerischen Arbeit war Moritz ebenso sicher wie die Sorge von Eltern und Lehrern, was aus dem Schriftspracherwerb wird.
An Fähigkeiten und Interessen ansetzen
Meiner Ansicht nach sollen Schüler da abgeholt werden, wo sie sind. Wenn sich ein Kind aber so gar nicht für ein elementares Fach wie Deutsch interessiert, wird es schwierig.
Ich konnte Moritz schließlich davon überzeugen, Buchstaben zu lernen und Wörter daraus zu bilden. Wir haben aus Zeitungen, Zeitschriften und Werbeprospekten Buchstaben ausgeschnitten und Wörter daraus zusammengelegt. Verbinden ließ es sich mit den Basteleien von Moritz. Da entstand schon mal ein Schmetterling, auf dem die Buchstaben „Sch“ klebten oder eine Fantasiegestalt mit dem Anfangsbuchstaben eines Kindes.
Es dauerte eine Weile, bis Moritz verstand, dass es wichtig ist, Buchstaben zu lernen. Es war ihm und seinen Mitschülern vielleicht nicht so bewusst, dass seine Lehrerinnen und Lehrer ganz viel experimentiert haben, um Moritz das Lesen und Schreiben doch noch schmackhaft zu machen. Aber nachdem Moritz seine eigenen ersten Sätze schreiben konnte und sie der Klasse stolz vorlas, war ich mir sicher, dass es jede Mühe und vor allem Geduld wert war.
Persönliche Wertschätzung erfahren
Seit der Begegnung mit Moritz versuche ich, jedes Kind in seinen Stärken zu fördern. Motivation ist die halbe Miete. Wenn das Kind erstmal die Wertschätzung erfährt für das, was es kann, dann ist der Weg dahin, anfangs schier Unmögliches zu leisten, auch nicht mehr unüberwindbar.