Ich habe festgestellt und oft auch den Kindern unterstellt, dass die Frage nach einem Toilettengang eigentlich die Frage nach Bewegung und Auszeit vom Lernen beinhaltet. Da ich der Meinung bin, dass man als Lehrkraft Toilettengänge nicht verbieten darf, aber den Kindern schon nahelegen und beibringen sollte, die großen und 5-Minuten-Pausen zwischen zwei Unterrichtsstunden dafür zu nutzen, befand ich mich oft in einem inneren Zwiespalt. Ich hatte schlichtweg das Gefühl, dass ich den Bedürfnissen der Kinder nicht mehr gerecht wurde. Seit einigen Wochen handhabe ich die Pausenregelung etwas anders und konnte positive Erfahrungen dahingehend sammeln, von denen ich euch heute hier berichten möchte.
Die Idee
In einem Klassenrat mit meiner dritten Klasse sprach ich die Situation und Problematik offen an. Viele Kinder zeigten sich einsichtig und gaben zu, dass manche Toilettengänge nur vorgeschoben würden, um sich dem Lernen kurzzeitig zu entziehen. Ich erklärte nochmal meinen Standpunkt und erzählte den Kindern von meiner Idee. Zukünftig solle verstärkt darauf geachtet werden, die großen oder 5-Minuten-Pausen zwischen zwei Unterrichtsstunden für Toilettengänge zu nutzen. Wem das nicht gelingt, der dürfe zwar während des Unterrichts auf Toilette gehen, müsse aber die dadurch verpasste Unterrichtszeit nach offiziellem Ende der Unterrichtsstunde anhängen und nachholen. Ich entschloss mich auch dazu, kleinere, individuelle Bewegungspausen während des Unterrichts zu integrieren und zu erlauben. Zusammen mit den Kindern sammelte ich verschiedene Aktivitäten, die sich auf 3-5 Minuten terminieren lassen. In Plenumsphasen, wenn wir neue Inhalte erarbeiten oder über Inhalte reflektieren oder in Aufräumphasen, sind die Bewegungspausen gesperrt. In Übungsphasen, wenn die Kinder in Einzelarbeit am Unterrichtsgegenstand arbeiten, sind 3-5-minütige Bewegungspausen erlaubt.
Zur Umsetzung
Eine Ampel an unserem Whiteboard zeigt an, ob in der jeweiligen Unterrichtsphase das Pausenangebot geöffnet ist („grün“), oder nicht „rot“). Bislang hänge ich immer nur drei Bewegungsangebote an die Tafel, die ich immer mal wieder austausche, um die Auswahl vorerst gering zu halten und ggf. in einem späteren Schritt die Anzahl erhöhen zu können. Zeigt die Ampel „grün“ an, schiebt das jeweilige Kind, das eins der Angebote in Anspruch nehmen möchte, sein Namenskärtchen zur grünen Ampel, schnappt sich eine Sanduhr (entweder 3- oder 5-Minuten-Sanduhren) und führt die Aktivität seiner Wahl für die vorgegebene Zeit alleine (!) aus. Zur Auswahl stehen Treppen steigen, eine Runde über den Schulhof flitzen, Seil springen auf dem Flur, einfache Sportübungen wie Hampelmänner, mit dem Jo-Jo spielen, zu Musik tanzen, etc. Sind die 3-5 Minuten vorbei, kommt das Kind leise (!) wieder in den Klassenraum zurück, schiebt sein Namenskärtchen zu dem „STOPP“-Schild und kehrt an seine Arbeit zurück.
Momentan erlaube ich nur eine Bewegungspause dieser Art während des Unterrichts pro Kind und pro Tag. Ich kann mir aber vorstellen, das Kontingent für alle Kinder bzw. für diejenigen Kinder, die mehr Bewegung brauchen (z. B. Kinder mit ADHS), bald zu erhöhen. Wir werden dies in einem der nächsten Klassenräte beleuchten.
Hier könnt ihr euch meine Bewegungskärtchen direkt runterladen.
Fazit
Ich finde es erstaunlich, wie seriös die Kinder meiner Klasse inzwischen die Bewegungspausen handhaben und wie gut sie einschätzen können, was sie gerade brauchen. Eine sorgfältige Einführung und regelmäßiges Reflektieren ist das dabei das A und O. Je nach Klassendynamik muss die Lehrkraft entweder alleine oder mit den Kindern gemeinsam entscheiden, welche Abmachungen gelten.Da ich mich auf die Kinder verlassen können muss und ihnen, zwar begrenzt, aber doch relativ viel Verantwortung für sich selbst übergebe, würde ich das Konzept jedoch erst ab Klasse 3 und nur in meiner eigenen Klasse umsetzen.
Ich finde auf jeden Fall, dass viele Kinder deutlich konzentrierter arbeiten und in der Unterrichtsstunde „durchhalten“ und versuche in Zukunft noch mehr Bewegung in meinen Unterrichtsalltag einzubauen.
Was haltet ihr von den individuellen Bewegungspausen? Vielleicht integriert ihr ja bereits Bewegungsmöglichkeiten mit ähnlichen oder anderen Methoden in euren Unterricht oder seid gewillt, ebenfalls individuelle Bewegungspausen anzubieten. Schreibt es gerne in die Kommentare!