Während frühere Generationen von Kindern, zu denen ich mich auch zähle, noch täglich zu Fuß zur Schule gingen, kommt es heute seltener vor, dass Kinder ihren Schulweg eigenständig zurücklegen. Wir beobachten immer häufiger, dass selbst geringe Entfernungen mit dem „Elterntaxi“ abgefahren werden. Nachvollziehbar ist es sicherlich, auch wenn ich selbst nicht zu den Müttern gehörte, die ihre Kinder mit dem Auto zur Schule brachte. Aber die meisten Eltern sind berufstätig und es geht einfach schneller, das Kind noch rasch vor der Arbeit mit dem Auto zu fahren als darauf zu achten, dass es pünktlich von zu Hause losgeht. Einen Sicherheitsaspekt mag es auch haben, wenn die Eltern ihr Kind auf dem Schulgelände wissen als zu vertrauen, dass schon alles gutgeht.
Verpflichtungen als Taktgeber…
Durch das behütete Ankommen in der Schule geht leider viel von der Spontaneität verloren. Viele Kinder wissen nicht mehr, wie viel Spaß es macht, über zugefrorene Pfützen zu schlittern, weil die Verpflichtungen, die Termine in den Familien, berufsbedingt oder freizeitorientiert zunehmen und den zeitlichen Rahmen, den Takt vorgeben. So erzählen mir Schülerinnen und Schüler oftmals, dass sie nach Schulschluss keine Zeit für die Hausaufgaben haben, weil sie zum Fußball oder Klarinettenunterricht müssen, vorher die kleine Schwester noch zum Kindergeburtstag gebracht werden muss und die Mutter im Stress ist, weil sie noch arbeiten muss.
…statt jahreszeitliche Gegebenheiten
Die Chance, Schnee und Eis als natürliche, wenig beeinflussbare Wegbegleiter zu erleben, sich auf sie einlassen zu können, geht vielen Kindern verloren. Selbst in den Pausen gibt es für Kinder kaum Möglichkeiten, Schnee und Eis als Spielgefährten zu nutzen. Schneeballschlachten sind an den Schulen verboten, es könnte sich ja jemand verletzen. Um einen Schneemann zu bauen, ist die Pause meist zu kurz. Und die kleine Eisbahn, auf der geschlittert werden könnte, wird schon frühmorgens beseitigt, damit sich kein Kind verletzt.
Natürlich ist Schule kein komplett geschützter Raum, auch auf eisfreien Flächen passieren Unfälle. Aber die Sicherheitsfrage hat immer oberste Priorität. Und im Winter haben Lehrer die Aufgabe, vor den Gefahren bei Schnee und Eis zu warnen. So ist es nur verständlich, dass alle möglichen Stolperfallen ausgeräumt werden. Muss das denn wirklich sein?
Kinder im Winter
„Tiere im Winter“ steht auf jedem Lehrplan für Sachunterricht. Meine Klasse macht dieses Jahr daraus „Kinder im Winter“. Nach Absprache mit den Kindern und Rückversicherung bei den Eltern haben wir entschieden, die Möglichkeiten und den Frost zu nutzen, um Erfahrungen zu sammeln.
Wir gehen im Sachunterricht auf den großen Schulhof und fühlen die Kälte. Kinder, die sich trauen, ziehen ihre Handschuhe aus, sammeln die restlichen Blätter und stellen fest, wie schön der Winter malen kann. Wir können auf den frost- oder reifbedeckten Tischen und Bänken mit den Fingern malen oder schreiben. Die Zeit draußen in der Kälte muss eine Bewegungszeit sein, damit es nicht zu schnell kalt wird. Sehr schnell vergessen wir die Zeit und das Frieren hat keine Bedeutung mehr, weil der Fokus auf dem Experimentieren liegt.
Sobald der erste Schnee fällt, werden wir ausprobieren, wie die Schneeflocken auf der Zunge schmecken oder welche Flocken schneller fallen und wie lange ihre Lebensdauer ist. Ich bin jedes Mal erstaunt, wie fantasievoll Kinder sind, wenn man ihnen die Möglichkeit lässt.