Eines der bekanntesten Bilder von van Gogh heißt „Vincents Schlafzimmer in Arles“. Ich zeige euch eine Methode, die es möglich macht, bei Betrachtung und Bildgestaltung eine Spur Rätselhaftigkeit zu bewahren. Sie regt ein Nachdenken über van Goghs Lebensstil und die Zeit um 1888/89 an, als van Gogh in Arles im „Gelben Haus“ wohnte. Vor allem aber fördert sie die Fantasietätigkeit der Kinder.
Vorwissen und Vorstellungen aktivieren
Ich projiziere nur die linke Hälfte von van Goghs Malerei (Wikipedia Version 1, es gibt fünf Versionen des Bildes). Ausgeblendet sind somit das Bett und die an den Wänden darüber angebrachten Malereien, zu sehen dagegen zwei Stühle, der Tisch mit Waschgeschirr, ein an der Wand hängendes Handtuch, ein kleiner Spiegel und ein großes Sprossenfenster. Von van Gogh kennen die Kinder der zweiten Klasse schon einiges: beispielsweise die Geschichte mit dem abgeschnittenen Ohr und die Malereien mit Sonnenblumen.
Wir sammeln jetzt Bildeindrücke und die Kinder erfahren, dass es sich um eine Bildhälfte handelt. Gemeinsam besprechen wir, wie das Leben vor 130 Jahren wohl war. Wie wusch sich der Maler? Wie war das Mobiliar zur damaligen Zeit? Wozu diente ihm das Zimmer möglicherweise? Ich erzähle von seiner Freiluftmalerei mit Staffelei und der damaligen Neuerfindung transportabler Farben in Tuben. Einzelne Kinder stellen das Malen an der Staffelei im Stehen oder Sitzen vor der Klasse szenisch dar. Das große Rätsel aber: Was befindet sich auf der anderen Seite des Zimmers?
Was wird benötigt?
- Wachsmalkreiden
- Kopie der Bildhälfte in schwarz-weiß auf DinA3-Papier
Eigene Gestaltung
Nun erhalten die Kinder ein Blatt DinA3, auf das ich links die bereits betrachtete Bildhälfte von van Goghs Zimmer in schwarz-weiß kopiert habe. Rechts bleibt reichlich Fläche frei. Die Wachsmalkreiden liegen bereit und ich stelle folgende Aufgabe: Du hast schon eine Vorstellung, wie das Zimmer im Ganzen aussehen könnte. Male die linke Seite in deinen Farben aus und zeichne rechts weiter, bis das Bild, so wie du es dir denkst, vollständig ist. Es ist dein Bild. Es darf am Schluss ganz anders aussehen wie das von van Gogh. Mit Elan beginnen die Kinder zu arbeiten.
Bilder bestaunen
Einige Bildergebnisse hefte ich an die Tafel. Wie vielfältig die Ideen sind! Ein Badezimmer mit Zuber ist zu sehen, ein Schlafzimmer, ein Maleratelier, der Maler an der Staffelei, ein Wohnzimmer mit Couch, ein Ausstellungsraum für Sonnenblumenbilder, van Gogh mit Familie… Die Kinder erzählen, was sie beim Malen beschäftigte und wie sie ihre Vorstellungen umsetzten. Gespannt warten sie nun darauf, van Goghs Bild im Ganzen zu sehen, das ich jetzt zeige. Interessant, wie sein Schlafzimmer aussah, erklären die Kinder. Sie fragen sich auch, wer auf den Malereien über dem Bett porträtiert ist (ein Dichterfreund und ein Leutnant, dem van Gogh Zeichenunterricht gab). Aber am aufregendsten finden die Kinder ihre eigenen Bilder, ihre vielen Ideen wie auch die schön zusammengestellten Farben.
Gut zu wissen
Van Goghs Bildteil ist perspektivisch richtig dargestellt. Junge Kinder nehmen beim Zeichnen aber eine andere Perspektive ein. Sie wollen Dinge möglichst prägnant und daher von vorne, von der Seite und/oder von oben darstellen. Deshalb verbinden sich die beiden Bildhälften, auch wenn sie gestaltet sind, nicht immer zu einer Einheit. Ich finde, das macht aber nichts. Es kommt auf die selbsttätige Auseinandersetzung mit dem Werk van Goghs an.
Hier ist die Kopiervorlage zum Vergrößern auf DinA3, so könnt ihr es ebenfalls direkt ausprobieren:
Vorlage-Zimmer-in-Arles-A4 (Quelle: Marie-Luise)Herunterladen