Weihnachtszeit ist Wichtelzeit

Kein neuer Trend, aber einer, der gerade in den letzten Jahren in so manchem Kinderzimmer zu finden war – der unsichtbare Wichtel, der hinter einer Tür an der Wand wohnt, Spuren hinterlässt und Kinderaugen zum Leuchten bringt. 

Vor zwei Jahren ist so ein kleiner Kerl, genannt Karl, auch bei mir pünktlich zum 1. Dezember eingezogen. Meine damalige erste Klasse erlebte mit ihm eine unvergessliche Adventszeit, sodass ich euch heute gerne davon berichten möchte.

Hier wohnt der kleine Karl. (Foto: Lisa M.)

Einen dauerhaften Grund zum Schreiben schaffen

Meine Grundidee war es, einen kreativen Schreibanlass für die Schüler*innen zu schaffen, der sich natürlich und intrinsisch motiviert ergibt. So war es die Lieblingsbeschäftigung des kleinen Wichtels, Geschichten zu lesen, die Kinder extra für ihn verfasst hatten. Fleißig schrieben sie täglich kleine Geschichten auf speziellem Wichtelpapier und stapelten sie vor der Wichteltür. Am nächsten Tag lag immer ein kleiner Kommentar des Wichtels für die Klasse auf dem Stapel, denn Karl hatte natürlich alle gelesen.

Am Ende der Adventszeit banden wir die einzelnen Geschichten zu einem Mini-Büchlein und das wurde das Weihnachtsgeschenk für die Familie. Es entstanden teilweise fortlaufende Abenteuer eines Wichtelkindes, teilweise wurden Briefe an Karl verfasst oder auch ganz eigene Erlebnisse erzählt. Aber alle Kinder nahmen sich täglich die Zeit, ihren zu diesem Zeitpunkt ja noch recht mühsame Schreibprozess zu durchlaufen, um Karl eine Freude zu machen. Korrektur stand hier absolut im Hintergrund, es ging mir ausschließlich um die Schreibmotivation und das Durchhaltevermögen.

Die Abenteuer des Wichtels

Am 1. Dezember tauchte plötzlich diese Türe in unserem Klassenzimmer auf – ganz am Boden an der Wand, in einer Ecke versteckt. Davor lag ein versiegelter Brief. Selbstverständlich entdeckten die Kinder die Tür zuerst und die Aufregung, die dann den Raum ergriff, zwang uns quasi dazu, eine Deutschstunde einzuschieben, um den Brief zu lesen. Karl stellte sich der Klasse vor und erklärte, dass er nun die Adventszeit gerne in der 1b verbringen wollen würde. Tagsüber schlafen Wichtel übrigens, deshalb muss es im Klassenzimmer möglichst leise sein (ein netter Nebeneffekt).

Damit auch täglich ein neuer Schreibanlass zu finden war, hatte ich für jeden Schultag einen kleinen Zettel von Karl vorbereitet. Darauf zu finden waren beispielsweise verschiedene Aktivitäten, die er erlebt hatte. Zur Inspiration findet ihr Karls kleine Briefe hier: Wichtelbriefe (Quelle: Lisa M.)

Passend dazu stellte ich immer eine Requisite zur Tür, die zum Brief passte.
In der 1. Nacht kümmerte sich Karl beispielweise um die weihnachtliche Beleuchtung im Klassenzimmer – es fanden sich morgens Lichterketten an den Fenstern und eine kleine Laterne vor seiner Türe. Einmal bekam er Besuch von Wichtelfreunden und hatte (ganz coronakonform) vor der Tür die Kaffeetafel aufgedeckt. Ein anderes Mal malte er Bilder oder fuhr mit seinem Dreirad eine Runde in der Nacht.

Die Materialien zu den kleinen Abenteuern habe ich tatsächlich alle bereits gehabt! Ein großer Fundus war das Zubehör meines alten Puppenhauses, Kleinigkeiten (wie beispielsweise die Tür) habe ich auch gebastelt. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Ein paar Nüsse oder Keksbrösel können bereits die Fantasie anregen und den Kindern einen Schreibanlass bieten.

Der Vorbereitungsaufwand klingt vielleicht hoch, hält sich aber eigentlich in Grenzen. Ich habe bereits vor der Adventszeit alles zusammengesucht und dann nur noch täglich morgens den neuen Wichtelstreich vorbereitet. Meistens lag noch ein handgeschriebener Kommentar zu den Geschichten bei – diese habe ich aber nur grob überflogen. Einzige Herausforderung: Das noch vor dem Eintreffen der Kinder zu erledigen!

 

Eine Aktion, die alle verzauberte

Die Reaktionen auf unseren kleinen Gast waren wunderbar! Ausnahmslos alle Kinder ließen sich von der Freude und Geheimniskrämerei rund um diese Türe in unserem Klassenzimmer anstecken. Es wurde nach dem Schnarchen des Wichtels gehorcht, durch die Schlitze der Tür gespäht. Karl wurde mit Basteleien überschüttet. Theorien rund um die Größe und Kraft des kleinen Kerls wurden aufgestellt und die Möglichkeit, dass das alles nur meine Erfindung sein könnte, sofort verworfen.

Sogar Kinder aus anderen Klassen kamen vorbei, um sich selbst ein Bild von unserem Weihnachtswunder zu machen. Karl war Gespräch an Frühstückstischen, im Pausenhof und bei Oma und Opa. Und bei so manch einem Kind zog noch im Laufe des Advents ein Freund oder eine Freundin von Karl im Kinderzimmer ein.

Es war eine Freude zu beobachten, wie andächtig die Geschichten geschrieben wurden und mit welcher Begeisterung jeden Morgen die Wichtelecke gestürmt wurde.
Leider war unsere Wichtelzeit dann aufgrund des Lockdowns früher als gedacht zu Ende. Die Kinder fanden es aber mehr als logisch, dass auch Karl jetzt lieber heim zu seiner Familie wollte. So verabschiedete er sich bei meiner Klasse und die Hoffnung auf eine Rückkehr war in seinem Abschiedsbrief bereits implementiert.

Selten hat eine Aktion neben dem normalen Unterrichtsgeschehen mich mit so viel Freude erfüllt wie Karl, der Wichtel. Wer Lust auf ein bisschen Kreativität und ganz viele strahlende Kinderaugen hat, dem lege ich so einen kleinen Kerl wirklich sehr ans Herz!

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