Gestern waren wir eine Lerngruppe mit 19 Kindern und heute sind wir 20. Ein Mädchen aus Syrien kam hinzu und soll nun, fernab der Heimat, neue Freunde finden und ins Unterrichtsgeschehen bestmöglich eingebunden werden. Sie ist kein Einzelfall, denn immer häufiger erleben wir an unserer Schule solchen Schülerzuwachs. Fremde Gesichter, ängstliche Gesichter, schüchterne Gesichter, im Einzelfall auch neugierige Gesichter beleben den Schulflur – Kinder, die eine andere Sprache sprechen und nicht verstehen, was um sie herum gesprochen wird. Kinder, die eine lange Reise auf sich genommen haben, um ihrer Heimat zu entfliehen und einer ungewissen Zukunft entgegenblicken. Eine Zukunft, die insbesondere in der Schule ihren Anfang nimmt.
Wie viele Kollegen bin auch ich im ersten Moment hilflos, denn wie gehen wir mit der Herausforderung Integration um, sobald ein Flüchtlingskind zur Lerngruppe stößt. Wie kann es möglichst rasch integriert werden?
Wie kann Integration gelingen?
Hier setzt unsere Intuition ein, denn auch wenn die Integration von Flüchtlingskindern zum Alltag geworden ist, bleibt es spannend, wie sie im Einzelfall gelingt und ob am Ende überhaupt von wahrhaftiger Integration zu sprechen ist. Denn wenn die Frage der sprachlichen Integration ausgeklammert wird, bleibt immer noch die Frage der sozialen Integration in die Lerngruppe offen. An unserer Schule haben wir uns daher angewöhnt, jedes Kind herzlich willkommen zu heißen und ihm die ohnehin vorhandene Vielfalt der Sprachen unserer Schülerinnen und Schüler vorzustellen. So fällt der Morgenkreis durchaus international aus und die Kinder stellen dabei gern ihre weiteren Sprachkenntnisse zur Kenntnis. Eine Begrüßung auf Türkisch, Kurdisch, Russisch, Englisch, Spanisch oder Arabisch macht man ja nicht jeden Tag, verdeutlicht aber auch einem fremden Kind, das jede Sprache willkommen ist und im besten Fall ergibt sich durch diesen ersten Kontakt gleich eine Verbindung zu einem Mitschüler, der die gleiche Sprache spricht.
Integration im Fachunterricht
An unserer Schule gibt es keine Sprachlernklasse, in der die Kinder zunächst ankommen und in geschütztem Rahmen nicht nur schulisch Anteil nehmen, sondern sich mit Gleichgesinnten dem Spracherwerb widmen können. Jedes neu ankommende Kind wird einer Regelklasse zugeteilt und dann sieht man weiter. Blöd, aber so ist es nun mal.
Als Anwärterin bin ich nur für meinen Fachunterricht zuständig und versuche, in diesen wenigen Stunden den „normalen“ Fachunterricht in Teilbereichen so umzustellen, dass Sprache keine Barriere ist und dadurch Integration in die Klassengemeinschaft spielerisch möglich wird – denn insbesondere das gemeinsame Agieren im Klassenverband ist für eine sinnvolle Integration in die Lerngruppe bedeutsam!
So haben wir beispielsweise im Klassenverband zum Thema Adjektiv ein Akrostichon mit den Namen der neuen Schülerin erarbeitet: Adjektive, die auf die Personen zutreffend sind und einfach pantomimisch oder in leichter Sprache erklärt werden konnten. Es war eine lustige Stunde, die einfach mal so aus dem Ärmel geschüttelt wurde und trotzdem unheimlich viel für alle Schüler ergeben hat: die Lacher haben auch noch in der Pause für Gesprächsstoff gesorgt und gleichzeitig ein Thema für die Pausenkommunikation geliefert – manchmal kann gelingende Integration im Unterricht so einfach sein…
Eine weitere Möglichkeit, mit den Schülerinnen und Schülern Wortarten zu üben und mit fremdsprachlichen Kindern rasch den Wortschatz zu erweitern, bietet sich auch außerhalb des Klassenraums. Warum nicht zum Frühling raus in die Natur und die besonderen Blumen, Tiere oder das beginnende Leben nach dem Winter neu entdecken? Während die deutsch sprechenden Schülerinnen und Schüler eine leere Tabelle mit entsprechenden Nomen, Verben und Adjektiven füllen, die sie um sich herum finden, entdeckt das fremdsprachliche Kind Farben, Pflanzen oder Tiere, deren deutsche Namen sie nachsprechen und auch in der Pause nach der Stunde mit den Mitschülern vertiefen kann. Denn nicht immer kann sofort mit umfassenden DaZ-Materialien gearbeitet werden – gerade dann nicht, wenn eine andere Alphabetisierung vorliegt oder aber das Kind noch gar keine schulischen und schriftsprachlichen Erfahrungen hat.