Mit Flüchtlingen in Regelklassen arbeiten (2): Wertschätzung der Herkunftssprache

Bei uns hat das neue Schuljahr begonnen. Die Klasse ist einen Jahrgang aufgerückt und wartet voller Neugier auf die neuen Themenberge, die es zu erklimmen gilt. Während „Ah“ und „Oh“ nur von kurzer Dauer sind, schaut mich ein Augenpaar mit besonderem Blick an: Ayla hat über die Ferien wenig Sprachbegegnungen mit Deutschen gehabt und den wesentlichen Teil der schulischen Sprachförderung vergessen. Reset: Alles nochmal auf Anfang!

Integration von Flüchtlingen in die Lerngruppe

In meinem letzten Beitrag habe ich Möglichkeiten beschrieben, wie eine soziale Integration von Flüchtlingen ganz nebenbei stattfinden könnte. Spielerische Möglichkeiten gibt es zuhauf. Wichtig ist aber ihre sprachliche Begleitung.

Wie wäre es beispielsweise mit den Spielen:

  • „Mein rechter, rechter Platz ist frei?“ – Bewegung in Verbindung mit einer sprachlichen Floskel, die sich nur um die Komponente des Namens, evtl. auch um eine Variation mit dem linken Platz, erweitern lässt.
  • „Simon says“ – Ein ausgewählter Spielleiter gibt einfache Kommandos, die alle oder nur einzelne Schüler befolgen sollen (z.B. „alle mit einem grünen Pulli setzen sich hin“).
  • „Fischer, Fischer, wie tief ist das Wasser?“ – sprachlich reduziert, nur mit der Anweisung, wie das vermeintliche Gewässer überquert werden soll (Verzahnung von Verb + pantomimischer Bewegung).

Du merkst, es gibt wirklich viele Möglichkeiten der sozialen und sprachlichen Integration.

Warte nicht darauf, dass DaZ-Schüler in Sprachförderstunden Sprache lernen. Das tun sie zwar auch, aber sie tun es auch außerhalb: Nämlich in jedem Moment, in dem sie mit Menschen interagieren! Eine sprachliche Förderung, die sich nur auf Sprachstunden und auf den Deutschunterricht bezieht, ist fatal.

Mit dem Kind ins Gespräch kommen

In den meisten Fällen erlebe ich Kinder mit Fluchterfahrung als zurückhaltend und eher introvertiert. Vertrauen zu gewinnen, ist nicht immer leicht. Dein wichtigstes Gut dafür ist deine Empathiefähigkeit verbunden mit aufmunternden Blicken, beruhigenden Ritualen oder vielleicht auch einer Berührung. Doch du kannst noch mehr tun! Du musst nur etwas Zeit investieren…

Information über die Herkunftssprache

Manche Sprachen sind gesellschaftlich nicht ganz so beliebt und erfahren im Allgemeinen wenig Wertschätzung. Doch genau diese Wertschätzung der Herkunftssprache ist wichtig, um Vertrauen zu schaffen. Warum sollte ich denn sonst eine Sprache von jemandem annehmen, wenn dieser jemand meine eigene Sprache nicht wertschätzt? Immerhin habe ich doch schon eine Sprache gelernt, kann mich ausdrücken und ggf. schon lesen und schreiben!

Genau diesen Respekt vor der Leistung meiner Schülerin (ihre Ressourcen) habe ich genutzt, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Ich las also viel über Lautvarianten, Satzbau und bedeutungstragende Elemente des Arabischen und verglich dies mit dem Deutschen. Ein erster Schritt, auf den noch viele weitere folgen sollten.

Endgültig gewonnen hatte ich ihr Vertrauen aber dadurch, dass ich auch bereit war, entsprechende Wörter/Vokabeln ihrer Herkunftssprache zu lernen. So lernten wir gemeinsam und ganz nebenbei erfuhr ich immer mehr von ihr persönlich. 

Auch ich habe neue Worte auf Arabisch gelernt (Foto: Nova)

Vielleicht magst du nun irritiert sein, denn Ziel einer Integration von Flüchtlingen ist ja nun nicht, dass wir Lehrkräfte zu Sprachgenies werden, die eine Vielzahl von fremdsprachigen Vokabeln verschiedenster Sprachen beherrschen. Doch trotzdem ist gerade die Bereitschaft, sich auch mal in die Rolle der Schüler zu versetzen und für kleine Momente von ihnen zu lernen, eine wichtige Empfehlung für die Motivation der Schüler.

Geholfen hat dabei übrigens wieder das spielerische Element. Die Anschaffung eines zweisprachigen Memorys war Gold wert. Es hat nicht nur Spaß gemacht, sondern auch Interesse bei der übrigen Lerngruppe geweckt, die sich durch das Spiel noch intensiver mit Ayla beschäftigt haben. Nach Wochen der Unsicherheit, Zurückhaltung und teilweise auch Verweigerung, war das Eis nun gebrochen!

Merken
Zur Liste hinzufügen:
Hinzufügen
Schreiben Sie einen Kommentar
Diese Fachartikel könnten Sie auch interessieren
westermann plus
Dieser Artikel ist Teil des Grundschule aktuell-Lizenzprogramms. Mehr Infos zu unseren Lizenzen.
In Bewegung zur Sprache kommen
Be-greifen führt zur Begriffsbildung

Gerade Kindern mit geringen Deutschkenntnissen hilft Bewegung beim Erlernen der Sprache. Aber auch alle anderen Schülerinnen und Schüler...

Details
Zur Liste hinzufügen:
Hinzufügen
westermann plus
Dieser Artikel ist Teil des Grundschule aktuell-Lizenzprogramms. Mehr Infos zu unseren Lizenzen.
Sprache M/macht Rassismus
Wie auch gut gemeinte Worte andere verletzen können
Obwohl Worte keine sichtbaren Wunden hinterlassen, kann Sprache zu tiefen Verletzungen führen. Der Unterrichtsvorschlag regt zu einer ersten...
Details
Zur Liste hinzufügen:
Hinzufügen
westermann plus
Dieser Artikel ist Teil des Grundschule aktuell-Lizenzprogramms. Mehr Infos zu unseren Lizenzen.
Lesen und schreiben lernen - aber anders

Wörter einfach immer wieder zu schreiben, bringt bei Kindern mit Legasthenie oder einer Lese-Rechtschreibschwäche wenig. Soll den betroffenen...

Details
Zur Liste hinzufügen:
Hinzufügen
Ähnliche Beiträge
Bild: Rini
Geschlechtersensibilität in der Grundschule - Teil 2
Im letzten Beitrag habe ich versucht, euch ein bisschen in die Möglichkeiten des spezifischen geschlechtersensiblen Unterrichtens mitzunehmen. Heute soll es aber vor allem darum gehen, wie wir es jeden Tag schaffen können, uns diesem Thema zu widmen...
Lesen
Zur Liste hinzufügen:
Hinzufügen
Unser Gebetshaus - ein Projekt zum Vaterunser (3)
Lesen
Zur Liste hinzufügen:
Hinzufügen
Ferienbingo - Auf spielerische Weise von den Ferien erzählen - 1 -
Lesen
Zur Liste hinzufügen:
Hinzufügen
Die Ferientratschtasche
Lesen
Zur Liste hinzufügen:
Hinzufügen