Bei uns hat das neue Schuljahr begonnen. Die Klasse ist einen Jahrgang aufgerückt und wartet voller Neugier auf die neuen Themenberge, die es zu erklimmen gilt. Während „Ah“ und „Oh“ nur von kurzer Dauer sind, schaut mich ein Augenpaar mit besonderem Blick an: Ayla hat über die Ferien wenig Sprachbegegnungen mit Deutschen gehabt und den wesentlichen Teil der schulischen Sprachförderung vergessen. Reset: Alles nochmal auf Anfang!
Integration von Flüchtlingen in die Lerngruppe
In meinem letzten Beitrag habe ich Möglichkeiten beschrieben, wie eine soziale Integration von Flüchtlingen ganz nebenbei stattfinden könnte. Spielerische Möglichkeiten gibt es zuhauf. Wichtig ist aber ihre sprachliche Begleitung.
Wie wäre es beispielsweise mit den Spielen:
- „Mein rechter, rechter Platz ist frei?“ – Bewegung in Verbindung mit einer sprachlichen Floskel, die sich nur um die Komponente des Namens, evtl. auch um eine Variation mit dem linken Platz, erweitern lässt.
- „Simon says“ – Ein ausgewählter Spielleiter gibt einfache Kommandos, die alle oder nur einzelne Schüler befolgen sollen (z.B. „alle mit einem grünen Pulli setzen sich hin“).
- „Fischer, Fischer, wie tief ist das Wasser?“ – sprachlich reduziert, nur mit der Anweisung, wie das vermeintliche Gewässer überquert werden soll (Verzahnung von Verb + pantomimischer Bewegung).
Du merkst, es gibt wirklich viele Möglichkeiten der sozialen und sprachlichen Integration.
Warte nicht darauf, dass DaZ-Schüler in Sprachförderstunden Sprache lernen. Das tun sie zwar auch, aber sie tun es auch außerhalb: Nämlich in jedem Moment, in dem sie mit Menschen interagieren! Eine sprachliche Förderung, die sich nur auf Sprachstunden und auf den Deutschunterricht bezieht, ist fatal.
Mit dem Kind ins Gespräch kommen
In den meisten Fällen erlebe ich Kinder mit Fluchterfahrung als zurückhaltend und eher introvertiert. Vertrauen zu gewinnen, ist nicht immer leicht. Dein wichtigstes Gut dafür ist deine Empathiefähigkeit verbunden mit aufmunternden Blicken, beruhigenden Ritualen oder vielleicht auch einer Berührung. Doch du kannst noch mehr tun! Du musst nur etwas Zeit investieren…
Information über die Herkunftssprache
Manche Sprachen sind gesellschaftlich nicht ganz so beliebt und erfahren im Allgemeinen wenig Wertschätzung. Doch genau diese Wertschätzung der Herkunftssprache ist wichtig, um Vertrauen zu schaffen. Warum sollte ich denn sonst eine Sprache von jemandem annehmen, wenn dieser jemand meine eigene Sprache nicht wertschätzt? Immerhin habe ich doch schon eine Sprache gelernt, kann mich ausdrücken und ggf. schon lesen und schreiben!
Genau diesen Respekt vor der Leistung meiner Schülerin (ihre Ressourcen) habe ich genutzt, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Ich las also viel über Lautvarianten, Satzbau und bedeutungstragende Elemente des Arabischen und verglich dies mit dem Deutschen. Ein erster Schritt, auf den noch viele weitere folgen sollten.
Endgültig gewonnen hatte ich ihr Vertrauen aber dadurch, dass ich auch bereit war, entsprechende Wörter/Vokabeln ihrer Herkunftssprache zu lernen. So lernten wir gemeinsam und ganz nebenbei erfuhr ich immer mehr von ihr persönlich.
Vielleicht magst du nun irritiert sein, denn Ziel einer Integration von Flüchtlingen ist ja nun nicht, dass wir Lehrkräfte zu Sprachgenies werden, die eine Vielzahl von fremdsprachigen Vokabeln verschiedenster Sprachen beherrschen. Doch trotzdem ist gerade die Bereitschaft, sich auch mal in die Rolle der Schüler zu versetzen und für kleine Momente von ihnen zu lernen, eine wichtige Empfehlung für die Motivation der Schüler.
Geholfen hat dabei übrigens wieder das spielerische Element. Die Anschaffung eines zweisprachigen Memorys war Gold wert. Es hat nicht nur Spaß gemacht, sondern auch Interesse bei der übrigen Lerngruppe geweckt, die sich durch das Spiel noch intensiver mit Ayla beschäftigt haben. Nach Wochen der Unsicherheit, Zurückhaltung und teilweise auch Verweigerung, war das Eis nun gebrochen!