Das Klassenzimmer als „dritter Pädagoge“ ist uns sicher allen ein Begriff – und, wie ich finde, zu einem großen Teil noch deutlich unterschätzt. Ein zentraler Punkt bei der Nutzung des Klassenraums bezieht sich auf die Sitzordnung und Raumgestaltung und ihr findet hier auf dem Blog schon einige spannende und empfehlenswerte Artikel dazu. Ich möchte das Thema aber noch einmal aus einer anderen Perspektive beleuchten. Ich möchte mich lösen von all den frontalen, u-förmigen oder nach Gruppen sortierten Sitzordnungen und habe mich vor einigen Jahren auf den Weg gemacht, den Sitzplatz als Lernort des Kindes zu sehen und zu gestalten. Dazu musste ich mehrere Phasen durchschreiten (und bin immer noch auf dem Weg), die ich euch in einigen Beiträgen aufzeigen möchte.
Mut haben – Räume neu denken!
Bisher musste ich in jedem Schuljahr mein Klassenzimmer wechseln und war dadurch gezwungen, mich immer wieder mit einem neuen Raum auseinandersetzen. Dabei möchte ich Euch dazu ermutigen, nichts im Raum als gegeben zu sehen. Das Pult steht vorne? Die Schränke an der Wand? Auf dem Fensterbrett stehen Blumen? All das kann sein, muss es aber nicht. Deshalb würde ich immer als erstes alles, was nicht niet- und nagelfest ist, in die Raummitte oder noch besser nach draußen schieben. Viele Schränke oder Regale lassen sich nämlich auch verrücken, es hat nur noch niemand vor euch daran gedacht. Diesen Prozess kann man im Übrigen auch mehrmals im Schuljahr durchlaufen, nicht nur am Anfang eines neuen Jahres!
Ein Zentrum und viel Freiraum außenherum
Natürlich ist es von zentraler Frage, welches Raumgefühl du zum Arbeiten mit deiner Klasse brauchst. Ich arbeite gerne mit einer zentralen Mitte, am liebsten einem Teppich. Dieser kann zur Tafel ausgerichtet sein (praktisch für einen Kinokreis, an dem an der Tafel gearbeitet wird), allerdings ist es auch möglich, fast alle gemeinsamen Arbeitsphasen im Kreis zu gestalten. Dies erfordert ein Arbeiten, das sicher nicht für jede*n Lehrer*in und jede Klasse geeignet ist, da wir uns lösen von frontalen Arbeitsphasen mit Hefteinträgen und gleichschrittigem Arbeiten für alle. Es läuft langfristig auf ein viel offeneres Arbeiten heraus, aber die Vorbereitung und Mühe lohnt sich sehr! Ich möchte ohne meinen Kreis nicht mehr arbeiten!
Für diese Mitte müssen wir also ausreichend Platz schaffen. In manchen Zimmern lässt sicher dieser Kreis auch mit Sitzbänken oder kleinen Hockern gestalten, je nach eigenem Geschmack und den vorhandenen Ressourcen. Erfahrungsgemäß geht aber auch ein Teppich (und für die Lehrkraft ein kleiner Hocker) – das längere Sitzen auf dem Boden erfordert aber eine gewisse Übungszeit.
Nun überlege ich, wie ich Ecken schaffen kann, sei es für eine Leseecke, Arbeitsplätze flexibler Natur zum Stehen oder Liegen, Thementische oder andere Rückzugsräume. Das funktioniert auch im kleinsten aller Räume. Um diese Ecken zu kreieren, stelle ich gerne Regale mitten in den Raum oder drehe Schränke. Am liebsten lasse ich die Wände komplett frei (warum, erkläre ich euch in einem folgenden Artikel). Vielleicht lassen sich auch Fensterbretter mitnutzen. Manche sind tief und niedrig genug zum Sitzen, an anderen kann man vielleicht im Stehen arbeiten. Auch der Platz neben der Tafel ist nicht tabu, sondern darf neu gedacht werden. Den Eingang zum Zimmer gestalte ich gerne eher geschlossen, sodass ein Regal oder Schrank zum Teil noch den Blick versperrt und der Klassenraum so zu einem Schutzort wird. Mit einer Klasse, die ihr gut kennt, kann man diesen Stellprozess übrigens auch gemeinsam machen. Wenn die Kinder es gewohnt sind, sich mit dem Raum als Lernort auseinanderzusetzen, haben sie oft die spannendsten Ideen. Seid offen für ein neues Raumgefühl – es fördert die Kreativität, das konzentrierte Lernen und die Aufmerksamkeit aller Individuen im Klassenzimmer! Schaut euch auch bei eurer Familie und Freunden um, das ein oder andere ausrangierte Möbelstück kann euch helfen, den Raum zu strukturieren. Nun haben wir ein Grundgerüst geschaffen und können als Nächstes die Tische stellen. Was ich hier getestet und für gut befunden habe, erkläre ich im nächsten Artikel.