In der Förderschule haben wir häufig mit Schülern zu tun, die besondere Schwierigkeiten im sozial-emotionalen Bereich haben. Dies zeigt sich beispielsweise an häufigen Konflikten und geringer Fähigkeit zur Empathie oder im Unterricht besonders daran, dass es den Schülerinnen und Schülern nur mit enormer Hilfestellung gelingt, in einem Team oder einer Gruppe zusammenzuarbeiten.
An unserer Schule hat das „soziale Lernen“ einen sehr hohen Stellenwert. So gibt es wöchentlich zwei fest im Stundenplan verankerte Stunden, in denen alles rund um das Thema behandelt wird. Hier hat man zudem ausreichend Zeit, aktuelle Geschehnisse aufzugreifen und in angemessener Weise zu besprechen.
Spiele für viele Gelegenheiten
Über die regulär im Plan festgeschriebenen Stunden haben kleine Kooperationsspiele in meinem alltäglichen Unterricht einen hohen Stellenwert eingenommen. Sie lassen sich sehr einfach in den regulären Unterricht integrieren, zum Beispiel als „Warm up“ oder auch für Zwischendurch als „Lückenfüller“, zum „Durchatmen“ innerhalb einer Doppelstunde etc. Die meisten Spiele fordern nur wenig Materialeinsatz, sodass man sie ohne Probleme auch spontan oder auf Schülerwunsch hin durchführen kann.
Von den Spielen, die ich regelmäßig im Unterricht einsetze, möchte ich euch eine Auswahl näher vorstellen. In jedem Beitrag stelle ich ein Spiel vor.
Kippstuhl:
Man bildet einen Stuhlkreis, in dem jeder hinter seiner Stuhllehne steht und diese mit der rechten Hand festhält. Die linke Hand kommt in die Hosentasche und darf nicht verwendet werden. Auch andere Körperteile sind tabu.
Phase 1: Ausbalancieren
Nun kippt jeder seinen Stuhl so weit nach hinten und balanciert diesen aus, so dass er möglichst lange in der gekippten Position verharrt, wenn man ihn loslässt. Hierzu ist etwas Übung erforderlich! Am besten sollte erstmal jeder etwas Zeit bekommen, dies auszuprobieren, wenn die Übung noch nicht bekannt ist.
Phase 2: Kommando absprechen
Nun beschließen die Schüler miteinander ein Kommando (z.B. „Achtung – fertig – los!“ oder „1 – 2 – 3“ etc.) und bestimmten den Kommandanten.
Phase 3: Durchführung
Auf das Kommando hin lassen nun alle ihren gekippten, ausbalancierten Stuhl los und gehen möglichst schnell zum Stuhl ihres linken Nachbarn, um diesen an der Lehne zu schnappen, bevor er wieder auf dem Boden steht. Für den Fall, dass es alle schaffen, den nächsten Stuhl zu schnappen, kann man sich einen Ausruf überlegen (z.B. alle schreien „yeah“ etc.). Ob es alle geschafft haben, erkennt man am einfachsten daran, dass es leise war.
Phase 4: Ziel des Spiels
Das Ziel können die Schülerinnen und Schüler selbst festlegen. Es kann zum Beispiel lauten „Wir wollen es 3x hintereinander schaffen“. In meiner recht kleinen Klasse mit zehn Schülern lautet das Ziel meist „Wir wollen eine ganze Runde schaffen“.
Tipps und Erfahrungen
Insgesamt handelt es sich hierbei um eine Übung, die beim Erreichen des Ziels das „Wir“- Gefühl enorm stärken kann. Wichtig ist, dass die Stühle möglichst nah beieinander stehen, da sonst der Weg zum nächsten Stuhl zu weit ist. Gegebenenfalls sollte man nach jedem Platzwechsel die Stühle nochmal zurechtschieben lassen; Die Schülerinnen und Schüler lernen dadurch auch das sorgfältige Arbeiten und das genaue Hinsehen, wo man noch etwas verbessern könnte, damit die Übung gelingt.
Wichtig ist, dass das Ziel bleibt, dass es alle gemeinsam schaffen und niemand wegen eines Fehlers ausscheiden darf. Hier kommt es vielmehr darauf an, das die Gruppe gemeinsam überlegt, was passieren muss, damit es klappt oder welcher Mitschüler vielleicht noch Hilfe oder zusätzliche Erklärungen braucht.
Am Anfang erfordert das Spiel viel Übung und provoziert ggf. Frustrationen. Es wird eine sehr hohe Anforderung an die Aufmerksamkeit gestellt, da die Kinder auf ihren eigenen Stuhl und dessen Balance achten und gleichzeitig Vorder- und Hintermann im Auge behalten müssen, um den idealen Zeitpunkt des Loslassens bestimmen zu können. Zudem muss der Kommandant das Kommando klar und deutlich geben, während alle anderen so leise sind, dass man dies auch gut verstehen kann.
Meine Erfahrung zeigt, dass die Kinder meist sehr ehrgeizig sind, ihr selbst gestecktes Ziel zu erreichen und hinterher enorm stolz auf ihre Leistung sind.
Viel Spaß beim Ausprobieren!!!
PS: Im nächsten Beitrag stelle ich euch das Spiel „Luftballons weitergeben“ vor.