Lesemethoden für die Lesezeit

Seit ca. einem halben Jahr wurden wir Lehrkräfte in NRW dazu verpflichtet, feste, verbindliche und regelmäßige 20-minütige Lesezeiten in den Unterricht einzubauen. Das hat mich, wie viele andere Lehrkräfte vielleicht auch, anfangs vor eine ziemliche Herausforderung gestellt. Wie lassen sich solche Lesezeiten in den (Fach-) Unterricht einbinden? Wie ritualisieren wir in der Schule die Lesezeit? Wie gestalte ich die Lesezeit so, dass es abwechslungsreich und motivierend für die Schülerinnen und Schüler ist? Welche Materialien und Methoden nutze ich dafür und wie differenziere ich innerhalb dieser?

Zur Umsetzung

Nachdem ich mich mit den verschiedenen Lesemethoden, die ich euch heute vorstellen möchte, befasst habe, habe ich sie einzeln und tageweise mit den Schülerinnen und Schülern meiner Klasse eingeübt. Montags fand beispielsweise immer das chorische Lesen statt, dienstags das Tandemlesen usw.. Inzwischen arbeite ich mit einem Fahrkartensystem; d. h. die Schülerinnen und Schüler suchen sich jeden Tag eine Methodik aus. Ich kann das Angebot steuern, indem ich eine unterschiedliche Anzahl an „Fahrkarten“ und einen Leseplan individuell für jedes Kind zur Verfügung stelle. In regelmäßigen Abständen diagnostiziere und protokolliere ich die Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler. Ich nutze dafür Lautleseprotokolle und den Stolperwörterlesetest, den man sich kostenlos im Netz herunterladen kann. 

Lesen in der Grundschule. (Foto: iStockphoto.com/FatCamera) 

Lautleseverfahren

Lautleseverfahren sind direkte Übungsmethoden, bei denen nach verschiedenen Regeln Texte laut oder halblaut vorgelesen werden. Lautleseverfahren dienen der Förderung der Leseflüssigkeit, wodurch insbesondere Verbesserungen in der Dekodiergenauigkeit, der Wortautomatisierung, der Lesegeschwindigkeit sowie des Leseausdrucks angestrebt werden. Lautleseverfahren werden vorrangig ab der 2. Klasse eingesetzt. Grob wird zwischen zwei Lautleseverfahren unterschieden: dem wiederholten Lautlesen und dem begleiteten Lautlesen

  • Vorlesen und Zuhören

    • Im offenen Anfang (s. Blogbeitrag), in den Frühstückspausen (s. Blogbeitrag) und am jährlichen Vorlesetag lese ich den Kindern in meiner Klasse vor. Dabei fungiere ich als Lesevorbild und versuche das Vorlesen dialogisch zu gestalten. Das heißt ich lasse die Kinder die Bilder betrachten und darüber sprechen, wir kommen über den Inhalt miteinander ins Gespräch, bewerten („Was genau gefällt dir an der Geschichte (nicht) und was könnte man verändern, damit sie dir gefällt?“) und erweitern die Geschichte („Wer könnte noch in der Geschichte mitspielen und warum ist er/sie/es für die Geschichte wichtig?“), antizipieren einen möglichen Fortgang der Geschichte („Wie könnte es weitergehen?“, aktivieren eigene Erfahrungen („Hast du auch einmal eine solche Situation erlebt?“), übernehmen verschiedene Perspektiven („Wie hat sich X hier wohl gefühlt?“, interpretieren Textstellen usw. (u. a. nach Kaspar H. Spinner).

  • Vorlesen und Mitlesen

    • Ich lese einen Text laut vor und die Schülerinnen und Schüler lesen unter Zuhilfenahme des „Lesefingers“ halblaut mit.

    • Sonderform: Lesen mit Hörbuch: Ein Hörbuch von einem beliebigen Wiedergabemedium mit einem zugehörigen Lesetext wird für die Schülerinnen und Schüler bereitgestellt. Dabei sollte die Audiovorlage möglichst ungekürzt sein, sodass die gesamte Buchvorlage vorgelesen wird.

  • Chorisches Lesen
    Wieder lese ich vor und die Kinder verfolgen den Text und lesen halblaut mit. Der Text wird in Abschnitte eingeteilt und Kindern in einer Kleingruppe gegeben. Die Schülerinnen und Schüler lesen die Textabschnitte mehrmals und zum Abschluss wird der Text gemeinsam und gleichzeitig im Chor gelesen.

    • Sonderform: Lesen mit dem Ich-Du-Wir-Würfel/Lesewürfel: Diese Methode folgt den Förderprinzipien des wiederholten Lautlesens (Text in Abschnitte gliedern). Die Kinder sitzen in Kleingruppen im Kreis und es beginnt das erste Auswürfeln. Würfelt das erste Kind ein ICH, liest es den ersten Abschnitt halblaut vor. Bei DU darf ein Dritter als Vorleser bestimmt werden. Die anderen Kinder lesen jedes Mal still im eigenen Text simultan mit. Fällt die WIR‐Seite, liest die gesamte Gruppe im Chor. Dieses Vorgehen wiederholt sich so oft, wie der Text Abschnitte hat (Text immer wieder von vorne beginnen). Zum Abschluss dürfen ein Kind oder alle Kinder im Chor den Text laut (und dann auch flüssig) vorlesen.

  • Tandemlesen
    Ein leseschwaches und ein lesestarkes Kind lesen gemeinsam im Team einen Text mindestens viermal (erstes Erlesen, genaues Lesen, flüssiges Lesen, betontes Lesen).

  • Vorlesetheater/Lesetheater/Dialoggeschichten + Präsentation 

    • Die Schülerinnen und Schüler haben die Aufgabe, nicht nur laut vorzulesen, sondern ihre Rolle durch Intonation, Stimmlage, Sprechweise, Mimik und Gestik mit Leben zu füllen und mit anderen beteiligten Kindern zu interagieren (z. B. in Form kurzer Theaterstücke oder lustiger Sketche). Eintrainierte „Lesetheaterstücke“ können in regelmäßig stattfindenden Vorstellungsrunden oder Schulversammlungen präsentiert werden.

Weitere Methoden & Materialien 

  • Blitzlesen (v. a. in Klasse 1) der häufigsten Wörter oder Fehlerwörter und Quatschwörter

  • Lesespurgeschichten

  • Lesespaziergänge

  • Ganzschriften lesen und dazu arbeiten (Leserolle, Buchvorstellung, Lesetagebuch) 

  • Freie Lesezeiten

  • Lesehausaufgaben

  • Lesestrategietraining

  • Lesekisten

  • „Lesediamanten“ (Muggelsteine statt des „Lesefingers“)

  • Besuch der Stadt- oder Schulbücherei

 

Differenzierungsmaßnahmen

Kinder mit großen Leseschwierigkeiten können entweder in einer Kleingruppe durch eine zweite Lehrkraft gefördert werden oder aber auch im Klassenverband verbleiben und mitlesen oder zuhörend teilnehmen bzw. beim Einsatz verschiedener Methoden entsprechend zusammenarbeiten (Differenzierung durch Gruppenzusammensetzung/Partner, Textumfang, Textinhalt, Silbentexte...).

 

Euer Feedback

Was haltet ihr von den Lesezeiten/dem Leseband? Welche Methoden und Materialien verwendet ihr in eurem Unterricht? Schreibt es gerne in die Kommentare!

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