Generatives Schreiben – Implizites Grammatiklernen am Gedicht

Heute möchte ich euch zeigen, wie Kinder mithilfe einer differenzierten Vorlage eigene Gedichte auf Basis des Gedichts "Komm, wir kehren die Straße" von Ursula Wölfel schreiben können, indem sie einzelne Wörter aus dem Gedicht substituieren. Dabei erhalten die Schülerinnen und Schüler implizit einen Einblick in die deutsche Grammatik, nämlich die Akkusativbildung und – je nach Kenntnisstand der Schülerinnen und Schüler – die Adjektivflexion.

Was ist „Generatives Schreiben“?

Generatives Schreiben ist eine kreative Schreibmethode von Gerlind Belke, bei der die Kinder (meist poetische) Texte auf der Basis vorgegebener Textmuster produzieren. Durch Austauschen einzelner Textelemente wird der Basistext so variiert, dass neue Texte entstehen. Implizit erwerben die Kinder dadurch neue Satzstrukturen und Grammatik. Das generative Schreiben ermöglicht selbst bei geringen Schreib- oder Sprachkenntnissen Erfolgserlebnisse und wird aus diesem Grund vor allem im DaZ-Unterricht, aber auch im Anfangsunterricht genutzt.

Kreativität beim Schreiben fördern. (Foto: iStockphoto.com/Valentina Stankovic) 

Und so läuft das Generative Schreiben ab:

  1. Hinführung zum Text (z. B. mit passendem Impuls zum Text)
  2. Vorstellung des Basistextes: Die Lehrkraft trägt das Originalgedicht (auswendig) vor.
  3. Einprägen des Basistextes: Die Kinder lesen wiederholt das Gedicht. 
  4. Ggf. Aufmerksamkeit auf sprachliches Phänomen lenken: Das grammatikalische Phänomen wird entdeckt und erarbeitet (durch Markierungen, das Regelmäßige/Auffälligkeiten benennen lassen). 
  5. Sprachliche Vorarbeit für die Substitution: Es werden Wörter gesammelt und sortiert.
  6. Mündliche Substitution: Einzelne Wörter im Originalgedicht werden durch die gesammelten Wörter ersetzt und es entsteht ein neues Gedicht (Vorarbeit zum Schreiben der eigenen Gedichte).
  7. Produktion: Die Kinder schreiben ihre eigenen Gedichte.
  8. Kontrollphase: durch Partner- oder Gruppenkorrekturen, Schreibkonferenz, Hilfen zur Selbstkorrektur oder Lehrerkorrektur
  9. Präsentation: Die Gedichte werden präsentiert und gewürdigt (z. B. durch Rückmeldungen seitens der Mitschülerinnen und Mitschüler)

Hier habe ich euch den Ablauf als Aushang für den Klassenraum visualisiert: Datei Ablauf Generatives Schreiben

Beispiel: Generatives Schreiben am Gedicht „Komm, wir kehren die Straße“ von Ursula Wölfel 

Komm, wir kehren die Straße

mit einem großen Besen.

Dann finden wir sieben Sachen:

einen alten Fahrschein,

einen krummen Nagel,

eine Vogelfeder,

einen grünen Pfennig,

ein Bonbonpapier,

eine Spiegelscherbe,

und vielleicht,

und vielleicht

einen goldenen Knopf für deine Jacke!

(Ursula Wölfel)

 

Bevor den Kindern das Gedicht von Ursula Wölfel im Original vorgelesen wird, kann man die entsprechenden Gegenstände aus dem Gedicht mitbringen und mit den Kindern betrachten. Denkbar wären auch kleine Erzählanlässe wie das Thema „Fundbüro“ (vielleicht sogar mit Anruf beim städtischen Fundbüro) oder die schuleigene Fundkiste. 

Fundstücke eintragen. (Foto: Julia)

Nach dem Vortrag des Gedichts, bedürfen Begriffe wie „kehren“ und „Pfennig“ evtl. noch eine inhaltliche Klärung, indem sie in ein modernes Deutsch „übersetzt“ werden. Der Leseaufgabe schließt sich Schritt 4 an. Dafür dient eine differenzierte Vorlage des Gedichts mit Markierungen der jeweiligen Fundstücke im Akkusativ (blau: maskuline Nomen, rot: feminine Nomen, grün: neutrale Nomen). Als sprachliche Vorarbeit für die Substitution fungiert eine Wörtersammlung, für die die Kinder in Gruppen zu einem Spaziergang über den Schulhof geschickt werden können. Die Fundstücke können entweder von den Kindern fotografiert, in den Klassenraum mitgebracht oder auf einem Arbeitsblatt (siehe verlinkte Datei) aufgemalt werden. Auf roten Plakaten werden dann feminine Nomen, auf blauen Plakaten maskuline Nomen und auf grünen Plakaten neutrale Nomen gesammelt. Nach einem kurzen, mündlichen Probedurchgang schreiben und ggf. illustrieren die Kinder nun ihre eigenen Gedichte, kontrollieren diese gegenseitig und präsentieren diese beispielsweise als Aushang im Schulgebäude.

Weitere Gedichte, die sich für das Generative Schreiben eignen:

  • „Die Enten laufen Schlittschuh“ von Christian Morgenstern (Artikel und Possessivpronomen)
  • „Der Frosch ist krank“ (Pronomen)
  • "A B C, die Katze lief im Schnee" (Artikel und Personalpronomen)
  • „Der Hase mit der roten Nase“ von Helme Heine (Nominalflexion)
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