Diese Überschrift zweimal lesen zu müssen, um zu verstehen, was ich damit meine, ist beabsichtigt. Wie fühlen sich Kinder mit einem festgestellten Förderbedarf in einer Regelschule? Müssen sie auch zweimal lesen, um das zu verstehen, was für andere normal scheint?
Anna, ein Mädchen meiner dritten Klasse, hat einen festgestellten Förderbedarf in den Bereichen Lernen und körperlich-motorische Entwicklung. Sie ist seit der ersten Klasse bei uns und von Beginn an integriert und akzeptiert. Die Mitschülerinnen und Mitschüler nehmen Anna so, wie sie ist.
Praktische Inklusion
Anna braucht Unterstützung. Nicht nur im Unterricht bei den Lerninhalten, auch bei alltäglichen Tätigkeiten wie z. B. beim Herausholen des Schreibheftes oder dem Einheften von Arbeitsblättern in die Mappe. Um die Lerninhalte kümmern wir uns, ihre Lehrkräfte. Beim Bewältigen des Alltäglichen erfährt Anna tägliche Fürsorge der anderen Kinder. Da wir an Gruppentischen arbeiten, fällt der Blick der Kinder sehr schnell auf Anna. Alle Kinder akzeptieren Anna so wie sie ist. Sie bekommt selbstverständlich mehr Zeit für Aufgaben und im Erzählkreis drängelt niemand, wenn Anna immer noch erzählt und nicht immer zusammenhängend. Da erfahren die anderen Kinder oftmals mehr Ungeduld.
Inklusion auf Ausflügen
Klassenausflüge haben mir anfangs sehr viel Unbehagen bereitet. Anna ist mein erstes Inklusionskind und ich war unsicher, wie ich außerhalb des Klassenraumes, also im nicht geschützten Raum, mit ihr umgehe, falls ihr das Einhalten der Regeln schwerfällt. Dieses Unbehagen löste sich aber schon nach dem ersten Ausflug auf! Annas Mitschülerinnen und Mitschüler sind so sensibilisiert, dass sie automatisch auf meine Frage, ob noch ein Kind fehlt, zurückfragen, wo Anna ist. Alle für Eine. Alle Kinder sind für Anna da. Eine in Allem. Anna braucht in allen Unterrichtsstunden Unterstützung. Durch ihre Herzlichkeit fällt es niemandem schwer, ihr zu helfen.
Umsetzung im Unterricht
Die Unterstützung vonseiten ihrer Lehrkräfte sieht für Anna so aus, dass sie an allen Themen mitarbeitet, aber in reduzierter Form. Zum Glück sind unsere Lehrwerke so aufgebaut, dass sie differenzieren. Einstiege in ein neues Thema macht Anna mit, besondere Hilfestellungen wie etwa das Unterstreichen einer Aufgabe an der Tafel, kommentiere ich oft mit dem Satz, dass es für Anna ist, wohl wissend, dass auch das eine oder andere Kind aus dem Klassenverband diese Hilfe brauchen kann. Anna ist und bleibt unser Inklusionskind und sowohl sie selbst als auch die Mitschülerinnen und Mitschüler nehmen wahr, dass Anna länger braucht, um Lerninhalte zu verstehen. Deshalb mache ich die Differenzierung auch optisch deutlich.
Fazit
Als nicht ausgebildete Förderlehrerin habe ich es tagtäglich mit zu fördernden Kindern zu tun, mit oder ohne festgestelltem Förderbedarf. Ohne die Zusammenarbeit mit Kollegen, insbesondere den Förderschulkollegen und den Eltern, stelle ich mir das Beschulen eines Inklusionskindes sehr schwer vor. Bei uns ist es zum Glück optimal!